Ich sitze hier in meinem Arbeitszimmer und frage mich, was so anders wäre, wenn die Pandemie mich nicht meiner Kraft beraubt hätte. Und warum sie das eigentlich immer noch tut, obwohl doch so langsam die Einschränkungen immer weniger werden und die "Neue Normalität" Einzug hält unser Leben. Und was hat Theater damit zu tun? Sollten wir die Pandemie auf der Bühne zeigen, sollten wir uns dieses Themas annehmen? Mein erster Instinkt ist, nein! Mich nervt die Pandemie derart, dass ich ihr nicht auch noch Raum in meiner Freizeit geben will. Aber sie ist ja da, und Theater nimmt doch auf, womit ich mich im Leben auseinander setzen muss. Warum sträube ich mich also, die Pandemie in die Kunst mit einzubeziehen?
In den letzten Wochen habe ich mir verschiedene Theaterstücke angesehen und um alle die einen Bogen gemacht, die auch nur annähernd das Thema Pandemie aufgegriffen haben. Ich will mich ablenken, nicht auseinander setzen mit dem, was ich nicht ändern kann. Aber genau das kann Theater doch eigentlich auch leisten: Die Auseinandersetzung mit Inhalten, denen ich im Alltag lieber aus dem Weg gehe. Meine Sichtweise ändern, meinen Horizont erweitern... Stimmt, das alles kann und soll Theater tun. Im Moment genieße ich aber mehr den Aspekt der Alltagsflucht, des Ausbrechens aus den Restriktionen, die mir diese Pandemie aufzwingt. Ich will mich nicht mit Entscheidungen belasten, die ich so oder so ähnlich im Alltag treffen muss, getroffen habe, die für mich getroffen wurden und denen ich ausgeliefert bin.
Ich will fliehen in Proben, die mit der Pandemie, der Ohnmacht und dem Gefühl des Ausgeliefert-Seins nichts zu tun haben. In der Probe habe ich die Macht, kann die Rolle annehmen, die mir gefällt, kann tun und lassen, was ich im Alltag nicht kann. In der letzten Probe ist das ganz deutlich geworden: Wir waren albern, laut, selbstherrlich, zickig, notgeil, ausgelassen, ungehemmt. Wir haben uns ausprobiert und sind wieder ein Stück weiter über unsere eigenen Grenzen gegangen. Wir haben losgelassen und etwas getan, was wir so nie zuvor (und schon gar nicht in der Öffentlichkeit) getan haben. Das tat sooo gut. Und da war es wieder, dieses Gefühl, das Theater immer in mir auslöst: Freiheit! Egal, wie die Welt um mich herum sich verhält, im Theater kann ich frei sein. Da kann ich mich ausprobieren, ich sein mit allen meinen Facetten, egal wie wild, unkonventionell oder langweilig sie sein mögen. Während der Probe kann ich alles sein und muss auf Nichts Rücksicht nehmen. Was für eine schöne Aussicht!
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