In meinem Leben bestimme ich! Bestimme ich?
- Theater Allround
- 24. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Apr.

Goethe hat uns mit seinem Text über den alternden Wissenschaftler mit dem diabolischen Kumpel und deren Exzessen einiges zum Nachdenken mitgegeben. Wir können mit innerer Distanz auf die Ereignisse in der Tragödie erster Teil schauen und uns entspannt zurücklehnen, denn unser Leben ist nicht halb so ausschweifend wie das im Stück beschriebene. Und doch gibt es Fragen, die mich nicht loslassen: wie sieht es bei mir denn wirklich aus, wenn ich so ganz ungeschmickt vor dem Spiegel stehe - will ich nicht auch schöner, schlanker, erfolgreicher sein als ich bin? Manchmal wäre ich gern anders als ich aktuell bin, aber dann wieder denke ich, dass ich das Ergebnis meiner bisherigen Erfahrungen bin und das doch alles ganz gut gelungen ist bisher. Wenn mir morgen jemand versprechen würde, dass er mir meine Träume erfüllt, würde ich das freudig annehmen? Würde ich das wirklich wollen oder könnten mir meine Träume dann fehlen? Kann ich das als Geschenk annehmen oder hätte ich danach immer das Gefühl, es nicht verdient zu haben, weil ich es mir nicht selbst erarbeitet habe? Und überhaupt, wer wäre ich, wenn ich alle meine Träume erfüllt bekäme?
Faust hat bekommen, was er sich gewünscht hat und doch hat es nie zur Erfüllung gereicht. Er hat ein schönes, junges Mädchen in sein Leben gebracht bekommen, das ihn bewundert und geliebt hat. Aber selbst das hat ihm nicht gereicht - und auch die anschließenden Exzesse sind nur ein weiterer Versuch, eine Leere zu füllen, die ihn innerlich auffrisst. Armer, bitterer, weiser Mann. Nein, so leer bin ich nicht, ich habe Liebe in meinem Leben, Freiheit und Leidenschaft, aber auch Zwänge, Verantwortung und Pflichten. Meist bestimme ich, wann ich mir welche Wünsche erfülle und wann nicht. Und auch wenn äußere Zwänge mich an manchen Stellen von der Erfüllung meiner Wünsche abhalten (weil ich eben keinen Millionär geheiratet und keine Bank überfallen habe oder weil mein Körper nicht zu sportlichen Höchstleistungen fähig ist), so kann ich doch voller Überzeugung behaupten, dass ich in meinem Leben bestimme. Selbst in den Momenten, in denen ich nicht frei entscheiden kann, weil ich zum Beispiel nicht jedesmal ans Meer fahren kann, wenn mir danach ist, so kann ich doch entscheiden, dass ich zum Beispiel in Hamburg wohne und nicht in Stuttgart. Meine Entscheidungen sind nicht immer richtig, manchmal frage ich mich hinterher, was mich dabei geritten hat: aber egal, was es war, immer war ich diejenige, die bestimmt hat.
Und dann frage ich mich, wer bei Faust bestimmt. Gott, Mephisto, Faust? Und wie sieht es bei Gretchen aus: bestimmt sie selbst, ihre Erziehung, ihre Umwelt? Was, wenn ihre Umwelt zum Beispiel gnädiger gewesen wäre mit der jungen Schwangeren? Hätte sie dennoch ihr Kind umgebracht oder wäre die Gemeinschaft in der Lage gewesen, ihre Entscheidung zu verändern? Wenn wir genau hinschauen, dann ist Faust die treibende Kraft im Stück, Mephisto nur ein Katalysator für seine Sehnsucht und Zweifel. Aber auf den ersten Blick geben wir gern Mephisto die "Schuld", ohne sein Zutun wäre Faust möglicherweise schon längst durch eigene Hand gestorben. Seine Entscheidung oder Schicksal? Umstände oder Gelegenheit? Wir schauen immer wieder genau hin, suchen nach Antworten und trauen uns, auch in den eigenen Tiefen zu tauchen. Das macht die Arbeit am Stück so spannend.
Wir bestimmen, was wir tun und freuen uns darauf, das mit unserem Publikum zu teilen!
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