Gestern noch fragte ich mich, wie ich mit Allem umgehen soll und was Theater machen kann oder muss in diesen Zeiten. Niemals hätte ich erwartet, dass die Antwort eigentlich ganz einfach ist: Ja! Ja, wir dürfen in den Proben die Blase der Glückseligkeit schaffen und unbeschwert lachen. Und ja, wir müssen in den Proben politisch werden und politisch handeln.
In der heutigen Zusammenkunft fand alles statt: Trauer und Trost, Wut und Mut, Spaß und Ernst. Wir haben Altes zu Grabe getragen und Neues erschaffen. Und das alles nicht im Gegensatz zu einander, sondern in Ergänzung. Unsere Emotionen durften Raum einnehmen, ohne uns in unserer Kreativität einzuengen. Das war ein sehr bereicherndes Gefühl und wir haben es geschafft, kreativ und produktiv unsere Wochenendprobe zu nutzen. Neben viel Organisatorischem haben wir den Grundstein gelegt für das nächste Stück und unsere Zukunft als Gruppe in einer hoffentlich neuen Umgebung mit Bühne. Und das alles zusätzlich zu den politischen Gesprächen und Aktionen, die wir miteinander geteilt haben.
In unserer ersten Pause sind wir gemeinsam auf den Hamburger Rathausmarkt gegangen und haben an einer Friedensdemo teilgenommen. Dabei kam es zu einer Begegnung, bei der mir das Herz aufgegangen ist. Die Demonstration schien sehr spontan einberufen worden zu sein, es gab verschiedene Redner, aber kein Mikrofon. Und jede/r, der/die schon einmal auf dem Rathausmarkt war, weiß wie groß dieser ist und dass man ohne Mikrofon nicht weit gehört wird. Die obligatorisch begleitenden Polizisten haben spontan ihr Megaphon an die Veranstaltungsleitung gegeben und erklärt, wie das funktioniert, so dass die Redner auch gut gehört wurden. Die Polizei in diesem Fall so hautnah als "deinen Freund und Helfer" erlebt zu haben, der mehr tut als das, was er tun muss, tat unfassbar gut. Es hat diesen Zusammenhalt über alle Barrieren hinweg spürbar gemacht. Und dann hat Elke sich getraut, die Menge dazu zu bringen, "all we are saying, is give peace a chance" zu singen. Ich bin so dankbar für diese Momente, die ein Licht in die Dunkelheit der aktuellen Stunden scheinen. Die Welt - und damit meine ich auch "meine kleine Welt" - lässt nicht zu, dass Putin sich nimmt, was er will. Wir können nicht immer viel tun, aber wir dürfen nicht still bleiben. Und das ist uns heute gelungen.
Ich werde auch in der nächsten Zeit Kraft ziehen aus dem heutigen Tag und ich wünsche meinen MitspielerInnen, dass sie auf sich aufpassen und sich ihre Kraftmomente nehmen, wann immer diese nötig sind. Denn ohne die Kraft aus unseren kleinen Glücksmomenten können wir nicht die sein, die die Welt braucht: Theaterschaffende, die Menschen berühren, einen Moment lang entführen und zum Nachdenken bringen. Das eine tun und das andere nicht lassen.
Comments